Gedichte


 

Merkwürdige Macht

 

Dass der Mensch höchst kompliziert

von Natur aus konzipiert,

ist dir, ernster Zeitgenosse, längst bekannt

und ich hätt dir´s gern erspart:

das Verhalten unsrer Art

war für andre vor dir auch schon interessant.

Und doch glaube ich, bis heut

haben Pawlow, du und Freud

ein prägnantes Phänomen stets übersehn,

nämlich das, was unbedingt

uns allzeit zu sagen zwingt:

Moment, pardon,

ich muß ans Telefon!

 

Allerorts, gleich wie und wann,

geht der Mensch dann eilig ran

an das kleine graue Kind moderner Zeit,

unterbricht gewillt ein Bad,

ein Gespräch, die Runde Skat,

denn wenn´s klingelt, steht man allezeit bereit.

Stell dir vor, beim Rendezvous,

sagst du ihr das erste Du,

steht urplötzlich Tante Frieda in der Tür ...,

du wärst ordentlich pikiert,

doch wenn´s Telefon triliert:

Moment, pardon,

ich muß ans Telefon!

 

Telefonbesucher sind

immer richtig und bestimmt

grüßt man keine Sorte Mensch so nett wie sie,

ja sie dürfen lästig sein,

dürfen überall herein

und besitzen dennoch unsre Sympathie.

Ob im Zoo, beim Hosenkauf,

immer halten sie uns auf,

drängeln sich an Kinokassen immer vor,

wenn dir was auf Nägeln brennt,

im entscheidenden Moment:

Moment, pardon,

ich muß ans Telefon!

 

Nur sehr wenigen gelingt,

wenn das schrille Läuten klingt,

mal nicht hinzuhören und nicht hinzugehn.

Und so frage ich mich heut:

Warten wir nicht allezeit

auf den Anruf, es wird irgendwas geschehn?

Warten wir auf´s große Los?,

auf das just geerbte Schloß?,

auf den Märchenprinzen, auf die gute Fee?

... und wie ich darüber sinn´,

kommt mir´s klar, es liegt darin: ...

Moment, pardon,

ich muß ans Telefon!

 

 Tobias Mücke

 


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