Gedichte
Der Kirschenbaum
Ich schlief gestern Abend im Kirschenbaum,
im zartesten Grün seiner Zweige.
Es sangen mich liebende Vögel in Traum.
Ich hörte ihr Lied, doch verstand ich es kaum,
denn der Tag ging noch nicht ganz zur Neige.
Es rauschte der Baum in die werdende Nacht
Von Schönheit, Gefahr und Verlangen.
Da hab ich die Augen erst recht zu gemacht.
Ich hatte so Vieles gefühlt und gedacht
bis die Knospen den Zweigen entsprangen.
Du tratst wie ein Engel durch dichte Geäst
mit dem üppigen Mond in mein Träumen.
Wie sprengten die Vögel ihr engendes Nest!
Die Nacht wurde still zum berauschenden Fest
und sie mahnte uns nichts zu versäumen.
Der Mann unterm Kirschenbaum sagte nicht viel.
Er kennt ja die alten Geschichten.
Ein Wink seiner Hand und die Blütenpracht fiel.
Wir stürzten – erwachten. Im heiteren Spiel
aßen wir von den dunkelsten Früchten.
Tobias Mücke